RESEARCHITALY INTERVIEW

Wo Neurowissenschaften und Neurotechnologien aufeinander treffen. Interview mit Giulio Nicolò Meldolesi.

Die Neurotechnologien etablieren sich als  einer der Bereiche von größtem wissenschaftlichem Interesse im 21. Jahrhundert. Sie integrieren fortschrittliche Methoden der Elektrotechnik und Informatik mit aktuellen Erkenntnissen der Neurowissenschaften und der Neurophysiopathologie, um neue Geräte für die Diagnose, Behandlung oder Therapie von Erkrankungen des Nervensystems herzustellen.

Große Fortschritte wurden bereits bei der Entwicklung und Umsetzung einer neuen Generation von Geräten erzielt, die fähig sind, sensorische und motorische Funktionen wiederherzustellen oder zu verbessern, wie z.B. Gehirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interface – BCI) für Menschen mit schweren Lähmungen oder für die Neurorehabilitation von Schlaganfallpatienten, die aber auch in der Lage sind, die Symptome einiger schwerer Krankheiten zu behandeln oder zu lindern, wie z.B. die Tiefenhirnstimulation bei der Parkinson-Krankheit.

Unser Land ist auch in diesem Bereich stark und hat einen vielversprechenden Horizont. Unter den herausragenden Einrichtungen stellt das Cyber Brain Hub Lab in Caserta die erste Infrastruktur im Süden dar, die sich ganz dem Studium der Neurowissenschaften und Neurokybernetik widmet. Es wird vom Ministerium für Bildung, Universität und Forschung (MIUR) mit Mitteln der Europäischen Union im Wert von 12,4 Millionen Euro finanziert und ist mit den modernsten Geräten der Welttechnologie ausgestattet.

Anlässlich des Internationalen Symposiums in Caserta am 3. November mit dem Titel „Jenseits der Grenzen der Wissenschaft: Wo Neurowissenschaften und Neurotechnologie aufeinander treffen“, das die innovative Struktur einweiht, haben wir den Arzt Giulio Nicolò Meldolesi (auf dem Foto) interviewt, Präsident der Neurone Onlus Stiftung für die Studie und Forschung in Neuropsychobiologie und klinischer Neurowissenschaft in Rom, Veranstalter der Konferenz zusammen mit der Neuromed Stiftung.

1. Herr Präsident, wie kann uns die neurowissenschaftliche Forschung dabei helfen, die Lage des Menschen auf individueller und gesellschaftlicher Ebene zu verbessern?

Wir befinden uns an den fortschrittlichsten Grenzen der Wissenschaft, wo Neurowissenschaften auf Ingenieurwissenschaften treffen und Medizin sich mit Elektronik verbindet. Im Allgemeinen liegt der Nutzen, der der Begegnung zwischen Neurowissenschaften und Neurotechnologie zugrunde liegt, in der Möglichkeit, eine Computer- oder Roboter-Gliedmaße direkt mit dem menschlichen Gehirn zu verbinden. Und dies aus zwei wesentlichen Gründen: a) für den Markt, indem das Potenzial unseres Gehirns voll ausgeschöpft und gesteigert wird;  b) zu therapeutischen Zwecken, zur Linderung oder Behandlung von Störungen des Nervensystems. Entweder durch die Modulation neurophysiologischer Funktionen – z.B. Tiefenhirnstimulation bei Parkinson-Patienten; oder durch die Reintegration motorischer Funktionen – z.B. Gehirn-Computer-Schnittstellen für Menschen mit schweren Lähmungen oder Neurorehabilitationsgeräte für Schlaganfallpatienten; oder durch die Wiederherstellung sensorischer Funktionen, z.B. Cochlea– oder Retina-Implantate. All dies, um die Barrieren von Krankheit und Fremdheit zu überwinden. Um eine Vorstellung von dem aussergewöhnlichen Perspektivenwechsel zu vermitteln, den die modernen Neurotechnologien hervorrufen, könnten wir das Beispiel des Rollstuhls anführen: Bis vor einigen Jahren war er alles, was die Wissenschaft den von Lähmungen betroffenen Menschen bieten konnte. Schon heute ist es in vielen Fällen möglich, mit dünnen Exoskeletten wieder zu gehen. Mit fortschreitender Forschung werden immer mehr Patienten, die nicht mehr sehen (z.B. bei Retinitis pigmentosa) oder sprechen können, die nicht mehr hören können oder die ihre taktile Sensibilität verloren haben, über Hirn-Computer-Schnittstellen (Brain-Computer Interfaces BCI) in der Lage sein, mit ihrem Körper zu sehen, zu sprechen, zu hören oder wahrzunehmen.

In einer klassischen Gehirn-Computer-Schnittstelle geht ein Datenfluss vom Gehirn zu einem elektronischen Gerät; oder umgekehrt, die Information geht vom Gerät zum Gehirn. Genauer gesagt, die vom Gehirn gesendeten elektrophysiologischen Signale werden von einem Decoder in motorische Befehle übersetzt, die für ein elektronisches Gerät verständlich sind. Oder, um den Informationsfluss in die andere Richtung zu steuern, ist die Schnittstelle mit einem Kodierer (encoder) ausgestattet, der die vom Gerät in seiner Interaktion mit der Außenwelt gesammelten Informationen (sensorische Signale) in Botschaften übersetzt, die eine für das Gehirn verständliche Sprache haben, z.B. durch elektrische Impulse.

2. Werden wir wirklich „Transhumane werden, wie ein Zukunftsforscher bereits vermutet?

Das Gefühl der „Veränderung“ betrifft nicht so sehr unsere Unterscheidungskraft als Menschen, sondern, wenn wir beispielsweise die ersten bionischen Hand-Implantate betrachten, besteht es bereits in der Implementierung elektronischer Schaltkreise, die in direkter Verbindung mit den biologischen Schaltkreisen des Nervensystems stehen. Seit seinem Erscheinen auf der Erde hat der  Mensch die Neigung manifestiert, seine wesentlichen Funktionen, die sein Wesen definieren, neu zu erschaffen, sie zu kontrollieren und zu verstärken – z.B. Motorik, Sinne – Sehen, Tasten, Hören, Riechen, Schmecken, Gedächtnis, Rechnen, mit der Tendenz, sie zu integrieren, um einen höheren Zweck zu erreichen. Die Evolution wird daher dazu tendieren, die charakteristischen Nervenfunktionen des Menschen wiederherzustellen oder zu verstärken und biologisch-technische Systeme zu schaffen, in denen die genaue Grenze zwischen biologischen und elektronischen Schaltkreisen immer unschärfer wird.

3. Sie behaupten, dass die Gehirn-Maschine-Kommunikation bereits Realität ist. Was hält die Zukunft für uns bereit? Werden wir heute wirklich in der Lage sein, so viele Krankheiten zu behandeln, ohne Hoffnung auf Heilung?

Die Möglichkeit, neurophysiologische Parameter zu messen, zu analysieren und zu nutzen, bietet bereits viele Anwendungsmöglichkeiten. s gibt verschiedene Weisen, Hirnsignale aufzuzeichnen und zu interpretieren: von den invasiveren, bei denen intrakortikale Elektroden während eines neurochirurgischen Eingriffs verwendet werden, bis zu den weniger invasiven, wie z.B. Kopfhörer mit Elektroden zur Aufzeichnung des elektroenzephalographischen Signals. Brain-Computer-Schnittstellen können mit dem zentralen Nervensystem, bestehend aus Gehirn und Rückenmark, verbunden sein; oder vielmehr mit dem peripheren Nervensystem, d.h. dem Netz von Nerven, die vom zentralen Nervensystem ausgehen und sich im ganzen Körper verzweigen. 

Hinsichtlich der an das Zentralsystem angeschlossenen Hirn-Computer-Schnittstelle (Brain-Computer Interface BCI) gelten sie zum Beispiel für Lähmungsfälle. Lähmungen können verschiedene Ursachen haben, die von einem Hirnschlag bis zu einem Autounfall reichen. Die Extremfälle sind die so genannten locked-inSyndrome, bei denen die Patienten zwar bei Bewusstsein, aber völlig gelähmt sind und sich deshalb nicht mehr freiwillig bewegen können. Sie können nicht einmal ihre Gedanken ausdrücken. In diesen Fällen stellen Spelling-BCIs einen Kommunikationskanal dar, indem die Patienten die Buchstaben auf einem Computerbildschirm oder Tablett auswählen können, um das gewünschte Wort zu schreiben.

Eine der bekanntesten Anwendungen des BCI wurde bei der Weltmeisterschaft 2014 ausgestrahlt: ein Exoskelett, das durch neuronale Signale gesteuert wird, die dank eines EEG-Helms für die Elektroenzephalographie aufgezeichnet werden. Das Exoskelett ist ein Skelett, das die unteren Gliedmaßen (in diesem Fall) einer querschnittsgelähmten Person von außen umhüllt und sie dank computergesteuerter hydraulischer Kolben bewegen kann.

Die BCI-Technologie kann Schlaganfallpatienten dabei helfen, zum Beispiel die Funktion eines gelähmten Arms wiederherzustellen. Beispielsweise wird eine flexible Roboterprothese an der Hand der zu rehabilitierenden Person angebracht. Durch Modulation der mit den Handbewegungen verbundenen Hirnaktivität lernt der Patient, die Prothese zu öffnen und zu schließen, die an seiner noch unbewegten Hand befestigt ist, die auf diese Weise passiv von der Prothese bewegt wird.

In Lausanne, an der École Polytechnique Fédérale – EPFL, wurde ein System entwickelt, das ermöglicht, einen Rollstuhl mit Hilfe des Gehirnsignals zu steuern. Insbesondere werden motor imagery oder die motorische Vorstellungskraft verwendet, d.h. die Impulse, die wir jedes Mal erzeugen, wenn wir daran denken, etwas zu bewegen: der Patient lernt, rechtsdrehen, linksdrehen, vorwärts und Stopp-Befehle zu produzieren, indem er sich einfach unterschiedliche Bewegungen für jede einzelne vorstellt. Als alternative Technologie verwendet das Rehabilitationsinstitut von Chicago Sensoren zur Erkennung von Restbewegungen, z.B. der Schultern von gelähmten Patienten, um den Rollstuhl zu bewegen.

– Gibt es bereits erfolgreiche klinische Anwendungen?Im Bereich der rein sensorischen Gehirn-Computer-Schnittstellen sind wohl die beiden größten Erfolge, die bisher erzielt wurden: 1) das Cochlea-Implantat oder das bionische Ohr. Ein Implantat für Menschen, die an schwerer Taubheit leiden, das ermöglicht, die Wahrnehmung von Geräuschen wiederherzustellen, indem es diese in elektrische Impulse umsetzt, die direkt auf den Cochlea-Nerv angewendet werden. Es besteht aus einem äußeren Teil, der den Klang einfängt, und einem inneren Teil, der den aufgenommenen Klang in entsprechende elektrische Signale umwandelt, die an die im Inneren der Ohrschnecke befindlichen Elektroden übertragen werden. Eine Angabe aus dem Jahr 2012 zeigt, dass mehr als 300.000 Menschen auf der Welt ein Cochlea-Implantat erhalten haben.

2) Netzhautprothesen. Es gibt auf dem Markt Geräte, die für Patienten entwickelt wurden, die an Retinitis pigmentosa leiden, einer ziemlich weit verbreiteten degenerativen genetischen Erkrankung, die zur völligen Blindheit führen kann. Die Grundidee besteht darin, den beschädigten Teil der Netzhaut durch eine künstliche Netzhaut zu ersetzen, die in der Lage ist, visuelle Informationen aufzuzeichnen und in elektrische Signale mit einer Bedeutung umzuwandeln, die vom visuellen Kortex korrekt interpretiert wird. Derzeit gibt es zwei Systeme auf dem Markt: den Argus II und das Alpha-IMS, die im März 2011 bzw. März 2013 die europäische Zertifizierung erhalten haben. Vorerst können die Patienten die Umrisse der Dinge kaum noch erkennen; für einen Menschen, der sein Augenlicht völlig verloren hat, ist dies jedoch eine ganz erhebliche Hilfe. Künftig müssen die Geräte verbessert werden, damit die Menschen schärfere und farbige Bilder sehen können.

Was in all den oben genannten Fällen wirklich fehlt und in den nächsten Jahren Gegenstand intensiver Forschung sein muss, ist die vertiefte Kenntnis des neuronalen Codes, also des Codes, den das Gehirn zur Verarbeitung und Übermittlung solch präziser und genauer Informationen verwendet.

4. Wie positioniert sich Italien im Vergleich zu anderen Ländern und mit einer internationalen Perspektive in diesem hoch innovativen Sektor, der reich an Perspektiven für die Behandlung vieler schwerer Krankheiten ist?

Italien ist in der vielfältigen internationalen Bühne gut positioniert.

In Bezug auf Neuroprothesen, d.h. Geräte, die mit dem peripheren Nervensystem verbunden sind (dem Nervensatz, der vom zentralen Nervensystem ausgeht und sich im ganzen Körper verzweigt), Silvestro Micera, als Professor an der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa und Direktor des Labors für Translational Neural Engineering an der École polytechnique fédérale – EPFL in Lausanne baute und implantierte einem amputierten Patienten eine Hand-Neuroprothese, die mittels spezieller Elektroden, die mit den Nervenfasern in Kontakt gebracht werden, bidirektional, motorisch und sensorisch gesteuert wird. Praktisch wird das neuronale Signal dekodiert (siehe oben, Dekodierer) und effizient auf die mechanische Extremität übertragen. Darüber hinaus werden bei der Ausführung von Handbewegungen verschiedene Protokolle von sensorischen Signalen (die nach den beiden grundlegenden Parametern Kraft und Frequenz organisiert sind, in Bezug auf den Kontakt mit rauem, glattem usw. Material) in elektrischen Stimuli kodiert, um dieser Prothese und damit der Person, die sie wahrnimmt, auch sensorische Informationen zu geben.

Im IRCCS Santa Lucia in Rom wurde eine Reihe von Anwendungen der BCI-Technologie zur Verbesserung der Lebensqualität von Patienten mit schweren motorischen Behinderungen, zur Steuerung von elektronischen Geräten in einem domotischen Raum durch die Modulation der Hirnaktivität realisiert. Zum Beispiel eine Anwendung, die es dem Benutzer ermöglicht, sich durch die Bewegung eines kleinen Roboters, der mit einer Videokamera ausgestattet ist, in andere Räume des Hauses zu bewegen. All dies, um den Einsatz von Kameras in jedem Raum zu vermeiden, der die Privatsphäre anderer Familienmitglieder verletzen würde.

In ganz Italien gibt es viele Zentren, die sich mit BCI-Technologie und assistive technology befassen. Ich kann neben den bereits erwähnten die Stiftung des Italienischen Instituts für Technologie, die Abteilung für automatische Informatik und Management-Technik – DIAG der Universität Sapienza in Rom; die Abt. IIEIT der Universität Pisa, das Consorzio Pisa Ricerche; in Bologna das Zentrum für technologische Hilfsmittel; das CNR-IFAC von Sesto Fiorentino, das Polytechnikum von Bari erwähnen. In Siena wurde für Menschen mit Locked-in-Syndrom ein BCI entwickelt, das motor imagery verwendet.

5. Die Neurotechnologien machen große Fortschritte. Welche innovativen Anwendungen sind bereits verfügbar und welche werden demnächst eingeführt?

Die Technologie des BCI erlebt derzeit einen aufregenden Übergang von episodischen Demonstrationen zu systematischer, multidisziplinärer, translationaler und geschäftsentwicklungsorientierter Forschung.

In den letzten zehn Jahren hat die wissenschaftliche Forschung eine Reihe leistungsfähiger Instrumente zur Messung und Analyse sowohl nicht-invasiver als auch invasiver Hirnaktivität hervorgebracht.

Unter den nicht-invasiven Systemen ist die räumlich hochauflösende Elektroenzephalographie (HREEG) ein Gerät zur imaging der Hirnaktivität „in vivo“, das ermöglicht hat, die „Anzeichen“ der Hirnaktivität im Zusammenhang mit Veränderungen der Speicherung, der Aufmerksamkeit und der Emotionen zu messen und zu erkennen, und zwar bei experimentellen Aufgaben, die zunehmend den Bedingungen des realen Alltagslebens ähneln. Mit den Techniken von HREEG wurde festgestellt, dass die Imagination der motorischen Handlungen beim Menschen in den gleichen Hirnregionen stattfindet, die für die Kontrolle der realen Bewegung der Gliedmaßen zuständig sind. Dies ist der wichtige experimentelle Hinweis hinter der „Brain Computer Interface“-Technologie (BCI), die darauf abzielt, elektronische Geräte allein durch Modulation der Hirnaktivität zu steuern.

Wie ich bereits gesagt habe, sind BCI-Systeme in erster Linie darauf ausgerichtet, die Lebensqualität von Patienten mit schweren motorischen Behinderungen zu verbessern und eine gewisse Autonomie und Unabhängigkeit in der Bewegung teilweise wiederherzustellen.

Der derzeit unternommene Schritt besteht darin, diese Art der Interaktion mit elektronischen Geräten gesunden Menschen für den Konsum zur Verfügung zu stellen. Die möglichen Anwendungen reichen von der Möglichkeit, diese Befehle in Videospielen zu verwenden oder „private“ Signale an andere Benutzer zu senden, mit denen wir in naher Zukunft in ständiger telematischer Verbindung stehen werden, bis hin zur unmittelbaren Kontrolle von Geräten um uns herum, wie z.B. Prothesen für Hände oder Beine. Nur wenige Sensoren sind an der Kopfhaut angebracht, während die Rechnungseinheit allmählich nicht größer als eine Uhr wird und daher leicht zu tragen ist. Es gibt mehrere Beispiele für kommerzielle Lösungen, die auf dem BCI basieren und je nach Typ zu Preisen von mehreren zehn bis zu Tausenden von Euro verkauft werden. Dabei handelt es sich um Geräte für Unterhaltung, Gesundheit, Sport oder Berufsausbildung. AEinige Unternehmen zielen auf den Markt der PC-Spielcontroller ab: sie bieten zum Beispiel BCI-Schnittstellen an, die sowohl Muskelbewegungen als auch elektrische Kortikalsignale mithilfe von Bändern oder Helmen interpretieren, die auf dem Kopf getragen werden und mit speziellen Elektroden ausgestattet sind. Eines stellt mit dem Controller insbesondere eine Reihe von klassischen Computerspielen wie Ping Pong und Tetris in „zerebraler“ Version zur Verfügung. Andere Unternehmen bieten Game-Controller für Smartphones oder Tablets an.

Ein weiteres wichtiges Anwendungsbereich ist das so genannte „cognitive training. Allein in den Vereinigten Staaten ist der Markt der kognitiven Trainings von 2 Millionen Dollar im Jahr 2005 auf 80 Millionen Dollar im Jahr 2009 gestiegen, und viel Aufmerksamkeit wird dem Neurofeedback geschenkt, einer Technik, die darauf abzielt, die Kontrolle der eigenen Gehirnwellen durch deren grafische Visualisierung zu trainieren. Dieses Verfahren wird sowohl im medizinischen Bereich als Therapie von Störungen wie ADS (Aufmerksamkeitsdefizitsyndrom) als auch im professionellen Bereich zur Verbesserung der Konzentrations-, Aufmerksamkeits- und Lernfähigkeit von Probanden in Arbeit, Studium und Sport eingesetzt. Einige Fußballmannschaften machen Neurofeeback-basiertes Training.

Die Wirtschaftswissenschaften befassen sich mit den Neurowissenschaften, um den menschlichen Mechanismus hinter den Käufen zu verstehen und vorherzusagen. Aus der Kombination dieser Wissenschaften entsteht die Anwendung auf das Marketing, das Neuromarketing, das darauf abzielt, die Gründe zu untersuchen, die einen Käufer dazu veranlassen, ein Produkt oder eine Dienstleistung zum Verkauf auszuwählen. Ein Großteil der Aufmerksamkeit richtet sich nun auf die Analyse der Werbung, die bekanntermaßen einer der wirksamsten Kaufanreize ist. Das traditionelle Marketing wertet die Reaktionen der Menschen auf die Anreize der Werbung mit indirekten Techniken (Beobachtung, Interviews, Fragebögen) aus. Das Neuromarketing hingegen untersucht die direkte physiologische Reaktion, die durch die Reizung der Werbung hervorgerufen wird (elektrische Reaktion des Gehirns), und leitet daraus die kognitiven Implikationen ab (Grad der Aufmerksamkeit, des Erinnerungsvermögens und des Wohlbefindens). Neuromarketing bewertet nicht das Verhalten, sondern die Art und Weise, wie die Reize der Werbung im Gehirn der Menschen ihre Wirkung hinterlassen

Auf dem Markt werden zwei Ansätze identifiziert, die auf kortikalen EEG-Messungen basieren: der wissenschaftliche Ansatz, der von neurowissenschaftlichen Erkenntnissen ausgeht, um die Wirksamkeit eines Reizes aus der Werbung abzuleiten, indem in allen Hirnarealen die kortikale elektrische Aktivität mit Hilfe von EEG hoher Dichte (>60 Elektroden) gemessen wird. Und der heuristische Ansatz, der seine Stärke in der Verwendung von EEG-Geräten mit einer reduzierten Anzahl von Elektroden (sogar nur eine Elektrode zentral am Kopf oder zwei an den Frontallappen positioniert) hat, mit denen die für das Neuromarketing interessanten Parameter gemessen werden. Die vereinfachten Geräte fördern die Portabilität, indem sie die Unannehmlichkeiten und die Vorbereitungszeit reduzieren, mit dem Ziel, die Testphase so ähnlich wie möglich der realen Erfahrung des Probanden zu gestalten. Allerdings ist es heute nicht möglich, die erzielten Ergebnisse mit denen aus der wissenschaftlichen Literatur zu vergleichen. Das Neuromarketing ist äußerst geeignet, die Werbekommunikation bei der Realisierung von Werbespots zu unterstützen, indem es die Fähigkeit erhöht, die Aufmerksamkeit und das Erinnerungsvermögen zu stimulieren und indem es den Werbespot in einer Weise präsentiert, die im Einklang mit der Marke steht. Heute haben die meisten Neuromarketing-Unternehmen ihren Sitz in den Vereinigten Staaten und wurden in den letzten fünf  Jahren gegründet. Viele von diesen Unternehmen verwenden ihre eigenen neurophysiologischen Messgeräte (EEG und Sensoren), während Andere technologische Lösungen von Dritten verwenden.

Die Europäische Gemeinschaft (EU) hat über den Vierjahreszeitraum 2007-2011 nicht weniger als 30 Millionen Euro in Projekte im Zusammenhang mit dem Einsatz von BCI-Systemen für die Steuerung von Videospielen, domotische Umgebungen, mechatronischen Prothesen für Beine und Arme investiert.  Die Europäische Union fördert auch Projekte, die den emotionalen und kognitiven Zustand des Passagiers während eines transozeanischen Fluges unmittelbar beurteilen, um die Bereitstellung von Dienstleistungen durch das Bordsystem optimal zu regulieren.

Ein weiterer Bereich, an dem die Europäische Union und die Regierungen mehrerer außereuropäischer Länder interessiert sind, ist die Möglichkeit, den Zustand der geistigen und psychischen Ermüdung von Fahrern öffentlicher Verkehrsmittel wie Busse, Züge und Flugzeuge durch die Erfassung der EEG-Aktivität zu überwachen.

In den USA entwickelt sich in letzter Zeit eine Forschungsrichtung auf dem Gebiet der so genannten „synthetischen Telepathie“, bei der die Art der Übertragung einzelner Informationsbits zwischen zwei Personen durch Modulation der Hirnaktivität untersucht wird; es handelt sich um eine Art BCI zwischen zwei Personen. Eine experimentelle Installation dieser „synthetischen Telepathie“ befindet sich in den Laboratorien der Stiftung Santa Lucia in Rom, wo zwei Personen gezeigt werden, die auf Distanz Informationen (bezüglich der Position des elektronischen Cursors) mit der Modulation ihrer mentalen Aktivität austauschen. Obwohl im Moment die Übertragungsgeschwindigkeit zwischen den beiden Subjekten auf einige wenige Bits pro Minute beschränkt ist, wurde der „proof-of-concept“ solcher Geräte nachgewiesen.

Hinsichtlich der klinischen/translationalen und wissenschaftlichen Forschung ist die Verwendung von elektrokortikographischen Hirnsignalen (EcoG) derzeit eine weitere außergewöhnliche Möglichkeit, Hirnsignale aufzuzeichnen (Alternative zur Elektroenzephalographie – Kopfhaut-EEG) und eine weitere fast unendliche Reihe von Anwendungen zu entwickeln. Hochfrequente EEG-Oszillationen (Band und Frequenzbereich 70-300 Hz) werden von vielen Neuronen erzeugt, die mit der gleichen funktionellen Aufgabe beschäftigt sind. Die Aufnahmen von Elektrokortikographien wurden verwendet, um die ereignisbezogene Dynamik von Hirnwellen in einer Reihe von neuroanatomisch-funktionellen Systemen zu untersuchen, einschließlich des somatosensorischen und somatomotorischen Systems, des visuellen und auditorischen Wahrnehmungssystems und der für die Sprache verantwortlichen kortikalen Netzwerke. Der Vorteil für Neurowissenschaftler, die mit der ECoG arbeiten, besteht darin, dass Menschen mit bestimmten Pathologien, wie z.B. medikamentenresistente Epilepsie (die nicht auf pharmakologische Behandlungen anspricht) oder Patienten mit Hirntumoren, vom Neurochirurgen zu therapeutischen Zwecken operiert werden. Bei dieser Gelegenheit ist es oft notwendig, eine temporäre Implantation von subduralen ECoG Grids durchzuführen (Multi-Kontakt-Grids oder Streifen, die auf der kortikalen Oberfläche aufliegen, oder intraparenchymale Elektroden, die unter stereotaktischen und stereoskopischen Bedingungen eingebracht werden, um eine  Reihe von Tests durchzuführen, die für den Chirurgen notwendig sind, um sicher zu operieren). Diese besondere Bedingung bietet Forschern die Möglichkeit, invasive Elektroden für den Menschen zu verwenden, wodurch sie die Hilfe bei der Untersuchung der Funktionsweise des menschlichen Gehirns in vivo kombinieren können, obwohl dies mehr einzigartig als selten ist.

Der schnelle Erfolg der Elektrokortikographie (ECoG) ergibt sich daher aus der Möglichkeit, neurophysiologische Studien am Menschen durchzuführen. Tatsächlich lassen sich Unterscheidungsmerkmale des Menschen wie Sprachfähigkeit nicht an jedem Tier studieren und erfordern die Verwendung invasiver Elektroden als einzige Voraussetzung für neue Entdeckungen und neue Anwendungsbereiche.

Andere Studien zeigen, dass diese Daten genutzt werden können, um mit einem kleinen Training eine ein- oder zweidimensionale BCI-Kontrolle zu erstellen. Und, wie wir gesehen haben, kann die Anwendung dieser Art von Methode für Menschen, die an schweren neuromuskulären Störungen leiden, wie z.B. Verletzungen des hohen Rückenmarks, Zerebralparese, Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), Locked-in-Syndrom usw., von grosser Hilfe sein.

Fortschritte in den neuronalen Schnittstellentechnologien sind mit der Entwicklung neuer Studienansätze für das Gehirn verbunden, sowohl klinisch als auch experimentell. Sehr interessant ist die jüngste Entwicklung „wiederkehrender“ BCI-Systeme (R-BCI), bei denen die neuronale Aktivität aufgezeichnet und in Echtzeit verarbeitet wird, um die elektrische Stimulation anderer bestimmter Bereiche des Gehirns oder der Muskeln durch die chronische Implantation von Mikroelektroden und Neurochips zu steuern. Auf diese Weise ist es möglich, durch künstliche Verbindungen normale Funktionen, die verloren gegangen sind oder fehlen, wieder zu integrieren. Dieses wiederkehrende und autonome BCI-Paradigma öffnet den Weg für neue Anwendungen, sowohl klinische (neurologische und psychiatrische) als auch experimentelle, die in den nächsten 3-5 Jahren die Selektivität, Empfindlichkeit, Präzision und Zuverlässigkeit der Aufnahme- und Stimulationsverfahren sowie die Betriebsdauer der verwendeten Mikroelektroden und neuronalen Sonden deutlich erhöhen werden.

Auch die Verbindung mit anderen klinisch-experimentellen Methoden, wie z.B. die Freisetzung pharmakologischer Substanzen in bestimmte Hirnareale, optische Bildgebung und genetische Manipulation, soll verbessert werden.

Jüngste Studien am Menschen zeigen die Möglichkeit, EcoG-Funktionsmapping in Echtzeit durchzuführen und damit eine Alternative zum Mapping durch Standard-Elektrostimulation in jenen chirurgischen Fällen zu bieten, die eine funktionelle Bewertung erfordern. Tatsächlich ist die Möglichkeit, Bereiche des menschlichen Gehirns zu identifizieren, die von zentraler Bedeutung für Sprache, Sensibilität, Bewegung und Gedächtnis sind, die Grundvoraussetzung für die Durchführung sicherer neurochirurgischer Eingriffe, sei es beispielsweise die Entfernung eines Tumors oder die Entfernung eines Teils des Hirngewebes, wie es typischerweise bei Epilepsie der Fall ist. Die Identifizierung dieser „funktionell kritischen“ Bereiche des Gehirns ermöglicht es dem Neurochirurgen, diese während der Resektionseingriffe zu erhalten, insbesondere in Fällen von heiklen Eingriffen, bei denen der zu entfernende kortikale Teil besonders nah an ihnen liegt oder sie überlappt.

Die Entfernung von pathologischem Hirngewebe bei neurochirurgischen Eingriffen ermöglicht die Verbindung mit: a) der Entwicklung der Grundlagenforschung (Molekularbiologie, Anatomie-Pathologie, Pharmakologie, Genetik), die durch die Analyse der Gewebe und der gefundenen Veränderungen ein weiteres Verständnis der elektrophysiopathologischen Mechanismen ermöglicht; b) der Synergie mit der pharmazeutischen Industrie für die Entwicklung neuer Moleküle, die auf reale Modelle programmiert sind.

Darüber hinaus konnte kürzlich gezeigt werden, dass die mit ECoG identifizierte Hochfrequenz-Aktivität mit dem fMRI BOLD-Signal lokalisiert ist und diesem zugrunde liegt. Sollte sich diese Beobachtung bewahrheiten, würde sich die ECoG als ein wesentliches Instrument bei der Bewertung neurochirurgischer Eingriffe vor der Operation etablieren, um potenziell schädliche Folgen für den Patienten zu vermeiden. Es wäre auch die erste effektive Technik zur Kartierung der Hirnfunktion, die in der Lage ist, die Aktivitäten der Gehirnzellen direkt zu messen und nicht die indirekten Folgen, die durch ihre Aktivierung entstehen (indirekte Schätzung).

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Auswirkungen auf die Entwicklung von BCI-Technologien sowohl in technologischer als auch in sozioökonomischer Hinsicht beträchtlich zu sein scheinen: a) die Ausweitung sowohl klinischer, elektrophysiologischer, neuroradiologischer als auch biotechnologischer Forschungstätigkeiten auf hohem wissenschaftlichem Niveau und mit hoher Übertragbarkeit (translationale Forschung); b) die Einführung neuer Technologien, die auf ein grundlegendes Wachstum der Autonomie für Menschen mit schweren körperlichen Behinderungen und die Schaffung von Konsumgütern für gesunde Menschen abzielen; c) die Entwicklung und Verfeinerung wiederkehrender BCI-Systeme zur Wiedereingliederung verlorener oder fehlender Hirnfunktionen; d) die Verfeinerung und erhöhte Sicherheit neurochirurgischer Verfahren.

6. Wie ist die italienische neurowissenschaftliche und neurotechnologische Forschung international positioniert? Was sind die Stärken unseres Landes und wie könnte es noch verbessert werden?

Den Wettlauf um die Schaffung technologischer Geräte für die breite Öffentlichkeit verlor Italien Ende der 1980er Jahre. Die Herstellung und die Gestaltung solcher Geräte (Computer, Tablets, Mobiltelefone, Navigationssysteme usw.) sind heute in den USA und den asiatischen Ländern fest etabliert.

Italien kann einen weiteren Wettlauf gewinnen, der potenziell ebenso wichtig ist wie der erste: Die Messung und Interpretation der kognitiven und emotionalen Zustände der Benutzer der Geräte der Zukunft ist der zentrale Punkt, um eine neue Klasse von Dienstleistungen anzubieten. Wer die kognitiven und emotionalen Zustände der Benutzer solcher Geräte richtig misst und interpretiert, wird die Möglichkeit haben, immer intelligentere und potenziell immer nützlichere Systeme zu entwickeln. Tatsächlich wird jedes elektronische Gerät, das hergestellt wird, um effizient zu sein, den kognitiven und emotionalen Zustand des Menschen berücksichtigen und mit ihm in Verbindung stehen müssen.

Die Struktur des Gehirns und die Mechanismen, die seine Funktionsweise steuern, sind der Bereich, in dem unsere Forschung die brillantesten Ergebnisse hervorgebracht hat. Zwei der sechs von Italienern gewonnenen Nobelpreise für Medizin wurden an Neurowissenschaftler vergeben. Und vor kurzem hat die Entdeckung der Spiegelneuronen die italienischen Neurowissenschaftler der Rizzolatti-Gruppe der Universität Parma weltweit bekannt gemacht.

Die enorme Ausweitung der Forschung im neurowissenschaftlichen und neurotechnologischen Bereich wurde dank der Verfügbarkeit von Methoden, Technologien und Analyseinstrumenten, die hauptsächlich aus der Physik und Biologie stammen, und durch einen integrierten Ansatz erreicht, der auf der Beseitigung von Barrieren zwischen verschiedenen Disziplinen beruht. Die Integration von Wissen und die aktive Zusammenarbeit insbesondere zwischen Ärzten und Bioingenieuren, Physikern, Neuropsychologen ist im gegenwärtigen italienischen Panorama noch immer schwierig, vor allem zwischen medizinischen und biotechnischen Disziplinen. Um die ehrgeizigsten Ziele im Bereich der angewandten neurotechnologischen Forschung zu erreichen, ist es unerlässlich, bereits während der akademischen Ausbildung des Masters die aktive und konstante Zusammenarbeit zwischen verschiedenen professionellen Persönlichkeiten und Kompetenzen zu fördern.

7. Welches sind in diesem höchst innovativen Kontext die Programme des Cyber Brain Hub Lab für die kommenden Jahre?

Mit dem Netzwerk von Kooperationen, das wir in den letzten Jahren aufgebaut haben, arbeiten wir an einem neuen Projekt, das den Transfer von hochinnovativer Forschung, die bereits in Norditalien und den Vereinigten Staaten vorhanden ist, beinhaltet. Es gibt 6 Forschungsbereiche, die den BCI betreffen: Neuroprothetik, Neuroprothetik und Signalübertragung über drahtlose Kommunikation, Elektrokortikographie (ECoG) und Datenanalyse, assistive Technologie und klinische, kognitive und motorische Rehabilitation.

Einer der heikelsten Teile dieser Arbeitsphase ist der Aufbau von Zusammenarbeitsbeziehungen mit Universitäten, vor allem in der Region Kampanien und in Süditalien, die jungen Studenten, Doktoranden und Postdocs die Möglichkeit bieten, in Caserta zu bilden und zu arbeiten. Die Beziehung zum Territorium umfasst potenziell alle Bereiche der Forschung und Entwicklung, die mit den vielfältigen Anwendungsbereichen dieses Wissens zusammenhängen (Krankenhäuser und klinische Anwendungen – neurologische Krankheiten, Neurorehabilitation, kognitive Rehabilitation, kognitives Training und Neurofeedback, Unternehmen – Neuromarketing, Automobilindustrie , Luft- und Raumfahrt, IKT, Videospiele, Sportmedizin usw.).

8. Sie sagten, dass diese neue Forschungseinrichtung jungen Leuten gehört… Wie ist das Durchschnittsalter eurer Forscher? An welcher Art von professionellen Persönlichkeiten seid ihr besonders interessiert? Für welche berufliche Laufbahn?

Eine mit öffentlichen Geldern aufgebaute exzellente Einrichtung muss im Dienst der jungen Menschen und der Gemeinschaft stehen. Wenn es voll funktionsfähig ist, könnte sie 30-40 Forscher beherbergen, in erster Linie Doktoranden mit einem Durchschnittsalter von 23-30 Jahren und Postdocs mit einem Durchschnittsalter von 26-35 Jahren, deren Arbeit von erfahrenen Forschern auf diesem Gebiet betreut würde. Zu den professionellen Persönlichkeiten gehören Bioingenieure, Elektronik- und Informatiker, Physiker, Mathematiker, Ärzte – Neurologen, Neurochirurgen, Radiologen, Elektrophysiologen, Neuropsychologen, Physiatristen und Rehabilitationstechniker. 

Ich würde mir auch wünschen, dass die Einrichtung von Hochschulstudenten und Gymnasiasten besucht wird. Ich wünschte, die Schüler könnten schon in sehr jungen Jahren mit dieser Realität in Berührung kommen und ihnen den Keim einer faszinierenden neuen Form des Wissens einflößen.

Die Aussicht auf eine Finanzierung durch europäische PON- und FSR-Mittel für industrielle Doktorandenstipendien und Postdoc-Verträge würde es jungen Menschen, die im Cyber Brain Hub Lab arbeiten, ermöglichen, sich unter der Aufsicht von exzellenten Meistern aus verschiedenen nationalen und internationalen Forschungsinstituten auszubilden.  CDies würde sicherstellen, dass sie sich zwischen verschiedenen Zentren bewegen und so ihr Wissen integrieren können.  Darüber hinaus wären sie im Gegensatz zu den klassischen akademischen Wegen von Anfang an in ein Forschungsprogramm eingebunden, das auf die vorindustrielle und industrielle Produktion ausgerichtet ist, von Anfang an in Kontakt mit den Unternehmen und Industrien, innerhalb der Produktionskette, die von den Stufen 2-3 der Technology Readiness Levels (TRL) bis zur Realisierung von Patenten und Prototypen (TRL 7-8) reicht, was den Eintritt junger Menschen in den Produktionsbereich begünstigt.

9. Welchen Rat möchten Sie einem jungen Italiener geben, der von der Hirnforschung fasziniert ist?

Dies ist der Rat, den ich meinen Kindern geben möchte: Pflegen Sie weiterhin den Traum, das eigene Wissen in den Dienst einer möglichen außerordentlichen Verbesserung der Lebensqualität von Menschen mit schweren Behinderungen zu stellen, Meister dieses faszinierenden Wissensgebiets zu werden und dazu beizutragen, den Lebensstil der Menschheit in den nächsten 5-10 Jahren zu verändern.

10. Es ist wirklich ein ehrgeiziges und multidisziplinäres Projekt. Welche Art von Zusammenarbeit gibt es und welche Art von Zusammenarbeit beabsichtigen Sie auf nationaler und internationaler Ebene zu entwickeln?

In Anbetracht des multidisziplinären Charakters des Projekts haben wir eine Zusammenarbeit mit einer Reihe von Forschungsinstituten und Stiftungen begonnen, die für die Hauptstudienbereiche von Interesse sein könnten, um so eine progressive Artikulation und Integration von Wissen zu gewährleisten. Gegenwärtig arbeiten wir zusammen mit: 1) dem Italienischen Institut für Technologie (IIT) in Rovereto (TN) – Neural Computer Interaction Laboratory, bezüglich der Signalverarbeitung; 2) der Abteilung für Elektronik und Telekommunikation, Polytechnikum Turin, Center for Space Human Robotics, IIT@PoliTO, Turin für Elektronik und Mikroelektronik; 3) der Scuola Superiore Sant’Anna in Pisa (SSSA) für Biorobotik; 4) Albany Medical College, Albany, New York und 5) Wadsworth Center, Albany, New York, und 6) dem Zentrum für Epilepsiechirurgie, IRCCS Neuromed, alle für Neurowissenschaften, Brain Mapping und Elektrokortikographie (ECoG); 7) dem Neuroelektrischen Bildgebungs-Labor IRCCS Stiftung Santa Lucia in Rom für Neurowissenschaften und motorische und kognitive Neurorehabilitation; 8) der Abteilung für Informatik, Automatik und Unternehmensforschung Antonio Ruberti (DIAG), und 9) der Abteilung für Molekulare Medizin, beide an der Universität „Sapienza“ in Rom, in Bezug auf die Hirn-Computer-Schnittstelle (Brain-Computer-Interface – BCI) und assistive technology (Entwicklung von Geräten zur Rehabilitation, Betreuung und Anpassung von Menschen mit schweren Behinderungen). Der nächste Schritt wird darin bestehen, vielfältige Kooperationen mit lokalen und südlichen Universitäten aufzubauen. Auf internationaler Ebene ist die Zusammenarbeit mit der École polytechnique fédérale – EPFL in Lausanne (an die die Scuola Sant’Anna bereits angeschlossen ist) und mit dem Knight Cognitive Neuroscience Lab in UC Berkeley – USA, mit dem die Albany-Gruppe in engem Kontakt steht, wichtig.